Das persönliche bloggen. Noch dazu
über das Kind.
Der Bericht kommt zu spät. Dafür gibt
es Gründe.
Ich war mit der Tochter wieder
unterwegs, denn davon handelt mein Blog: reisen mit der Tochter. In
der Weltgeschichte herum, sagt man so. Damit sie etwas über die
Weltgeschichte erfährt, erfliegt, erläuft.
Wir sind also zwei Bloggerinnen, ich
und sie, nur ist sie sechs und kann noch nicht schreiben.
Während wir unterwegs sind, ist es
schwer darüber zu schreiben, denn wir sind ja mit Erlebnissen
erleben beschäftigt. Jetzt sind wir zurück aus Indien und Thailand
und ich habe Zeit endlich das spannende Thema der Frau Unruhewerk zu
beackern. Das Thema ist bei mir von doppelter Bedeutung, denn ich
muss ja für mich und die Tochter entscheiden.
Natürlich habe ich auch schon oft über
das persönliche schreiben nachgedacht, aber das schreiben ist das
schreiben, das bloggen das bloggen.
Die Frage nach dem persönlichen
bloggen klingt für mich ein bisschen so: „Wie persönlich
schreibst du öffentliche?" Lustige Frage.
In Kurzgeschichten heißt es „das
lyrisches ich“ und man soll es nicht mit dem Autor, der Autorin
verwechseln. Gibts das beim bloggen?
Der lyrische Blogger, die lyrische
Bloggerin?
Wahrscheinlich würden viele sagen,
dass sie so sind, wie sie sich auf den Plattformen geben. Authentisch
sagt man da. Ich mag das Wort nicht sonderlich, denn ich kenne viele
eher unauthentische Menschen, die ausgerechnet dieses Wort total
gerne benutzen „Hach jeh, diese kaputte Scheune ist aber
authentisch!“ Oder wenn sich jemand nicht ganz den
gesellschaftlichen Normen entsprechend verhält (als versteckte
Kritik vielleicht sogar) „du bist so authentisch“ (weil man
gerülpst hat?)
Oft ist die Figur des Bloggers, die der
Blogger, die Bloggerin von sich vorstellt, natürlich schöner. Mit
aufgeräumter Wohnung. Lecker Essen und kein Streit.
Die Krankheit der sozialen Medien, die
Konsumenten ebenfalls krank macht. So sind zumindest Untersuchungen
dazu.
Am liebste wollen aber die Menschen
wissen wem sie folgen und warum. Die sollen nett sein, die denen man
folgt oder gibt es Arschloch-blogs von Arschlochbloggern und die
lesen dann viele?
Kann ich mir nicht vorstellen.
Ich verschweige den Namen meiner Tochter und rücke
ihr Gesicht nicht aus.
Das Blog könnte erfolgreicher sein, wenn ich niedliche Kinderbilder verwenden würde (sie und die Tiger, sie und die Sadhus in Indien. Viele dieser Bilder sind unglaublich schön, aber es geht nicht.) Ihr müsst es mir einfach glauben: ein Engelsgesicht, (wenn man sich die Mimik wegdenkt, wenn sie sauer ist.) Ich kann es euch beschreiben, denn ich bin ja Autorin und kann gut mit Worten. Sie hat ganz hellblaue Augen und eine sehr witzige Stupsnase.
Das Blog könnte erfolgreicher sein, wenn ich niedliche Kinderbilder verwenden würde (sie und die Tiger, sie und die Sadhus in Indien. Viele dieser Bilder sind unglaublich schön, aber es geht nicht.) Ihr müsst es mir einfach glauben: ein Engelsgesicht, (wenn man sich die Mimik wegdenkt, wenn sie sauer ist.) Ich kann es euch beschreiben, denn ich bin ja Autorin und kann gut mit Worten. Sie hat ganz hellblaue Augen und eine sehr witzige Stupsnase.
Das Problem an ihrem Gesicht ist: es
ist IHR Gesicht und sie soll entscheiden, wann sie ihr Gesicht dem
Internet zeigt. Ich finde sie ist so weit, wenn sie auch entscheiden
kann, ob sie ihre Haut tätowieren lässt.
Ich war in Zeitschriften, im Radio, im
Fernsehen und darum habe ich noch zusätzlich Verantwortung. Ich
würde es aber auch nicht tun, wenn ich nicht halb, viertel oder
sechstelprominet wäre. Wenn ich gar nicht prominent wäre? Dann auch
nicht.
Kinderfotos gehören nicht ins Netz.
Klar, will man allen zeigen wie
wirklich niedlich das Kind ist, aber immer wenn mir danach ist, mache
ich ein Foto von meinem Hund und stelle es rein. Man kann auch Kuchen
fotografieren, den finden auch alle süß.
Wie sieht es nun damit aus, dass ich
ihre Gedanken und Gefühle aufschreibe?
Eine Schriftstellerkollegin hat mal
über den Liebeskummer ihres Sohnes geschrieben und sich später
immer darüber geärgert. Es kann sein, dass die Kinder sich später
über diese Erinnerung freuen. Es kann aber auch sein, dass sie es
nicht mögen.
Ist es ihr später peinlich, wenn ich aufscheibe, dass sie die Elefanten so toll fand, dass sie sie knutschen wollte?
Über die Geschichten meiner Kindheit
hat sich der verklärte Glanz der Zeit gelegt, Humor und Vergessen,
Verzeihen und Reife haben alle Ecken geschliffen. Meine Anekdoten
sind runderzählt, geschliffen und poliert, sie kratzen nicht und
wenn ich sie zu hören bekomme, kann ich sie ertragen ohne Weh. Sie
sind lange her. Familien-Stille-Post haben sie verdaulich gemacht.
Als meine Oma beim Umzug das Stück
Brot in meinem Spielzeugschrank fand. Lustig.
Ich habe inzwischen selbst drüber
geschrieben. Denn meine Geschichten sind meine Geschichten.
Aber damals, wenn ich ganz genau
hinfühle, wenn ich wirklich nachdenke, dann war meine Großmutter
schon wirklich entsetzt und dann erst belustigt und ich verstand
nicht, was nun so schlimm daran sein soll. Aber so wird die
Geschichte nicht erzählt. Was wäre, wenn meine Großmutter sie auf ihren Blog gepackt hätte, brühwarm? Und ich könnte es bis heute nachlesen?
Als Kind muss man schon genug
kooperieren, Kleidung, Geschwister, Wohnung, Schule. Zu vielem
kann man eine Meinung haben, aber es
bleibt trotzdem so.
Was einem gehört sind die eigenen
Geschichten, das Gesicht, die Identität.
Jetzt bin ich nun in dieser Zwickmühle
(eine Mühle, die Zwick mahlt, wie wunderschön die deutsche Sprache
doch ist): ich will erzählen und ich versuche es zart zu tun, aber
ehrlich ist oft viel interessanter. An den Stellen, wo es etwas zu
schützen gibt, schütze ich es. Wer denkt, dass ich viel preisgebe,
der weiß nicht wieviel ich beschütze.
Ihr bekommt nur die Oberfläche des
Ozeans, glatt und funkelnd und mit Wellen und Sturm, aber tiefer
nicht. Ungeheuer, Haie, ausgestorben geglaubte Leuchtmoränen, noch
nie entdeckte Kisten voll Piratengold.
Meine Tochter würde dazu
wahrscheinlich sagen, dass ich ein Video von ihr aufnehmen soll, wie sie
nackt Arschbombe präsentiert.
Warum soll sie sich darüber Gedanken machen? Sie würde sich aber auch Bibi Blocksberg tätowieren lassen.
Warum soll sie sich darüber Gedanken machen? Sie würde sich aber auch Bibi Blocksberg tätowieren lassen.
Liebe Kirsten, ach, wie gut.... Dass du dich noch gemeldet hast. Allein die Sache mit dem "Authentischen"! Ich war glücklich, das in meiner Zusammenfassung erwähnen zu dürfen! (Ja! ALLE wollen authentisch sein! Fast alle. Bis auf eine. Aber deren Beitrag ist ziemlich schwere Kost...)
AntwortenLöschenUnd sowieso: Wenn jemand zu diesem Thema WIRKLICH was zu sagen hat, dann sicher du!
Ganz herzlichen Dank in jedem Fall! Erst mal stehst du in der Kurz-Liste aller Beiträge. Und dann kommt die "große Zusammenfassung" (werden wohl zwei Teile...) Über der schwitze ich grad...
Viele liebe Grüße
Maria
Hey liebe Maria! Du bist so fleißig! Ich würde ja auch irgendwannmal gern einen Blogroll starten, aber wenn das so viel Arbeit ist... Ist das immer so? Ist der erste an dem ich teilnehme. Du weißt das auch nicht. Ist ja der erste, den du machst. Dann will ich dich mal nicht weiter ablenken, fasse schön zusammen. ICH BIN SEHR GESPANNT!
AntwortenLöschenDanke, dass mein Nachbummeltext noch mitspielen darf.
Kirsten